Die Grenzen des Standardmodells der Teilchenphysik

In der Welt der Teilchenphysik stehen wir vor einem Wendepunkt, der unsere Sicht auf das Universum grundlegend verändern könnte. Das Standardmodell der Teilchenphysik, das jahrzehntelang als Fundament unserer physikalischen Erkenntnis galt, wird durch neue Beobachtungen und Theorien auf die Probe gestellt.

Ein wesentlicher Aspekt, in dem das Standardmodell unvollständig bleibt, ist seine Unfähigkeit, die vergleichsweise schwache Gravitation und die gravitative Wechselwirkung zu beschreiben. Dies eröffnet ein Feld voller Rätsel – von der Dunklen Materie bis hin zu bahnbrechenden Experimenten, die das Modell herausfordern.

Wir leben in einer Ära bedeutender wissenschaftlicher Entdeckungen und Innovationen. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf einige der Schlüsselerkenntnisse und Theorien, die die moderne Physik prägen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Grenzen des Standardmodells: Das Standardmodell der Teilchenphysik ist erfolgreich, kann aber Gravitationskräfte und Dunkle Materie nicht einbeziehen, was auf seine Unvollständigkeit hindeutet.
  • Mysterium Dunkle Materie: Historische astronomische Beobachtungen, wie die von Fritz Zwicky, und neuere Analysen deuten auf die Existenz Dunkler Materie hin – eine unsichtbare Kraft, die Galaxien zusammenhält und sichtbare Materie überwiegt.
  • Streben nach einer einheitlichen Theorie: Bemühungen laufen, das Standardmodell mit der Gravitationstheorie in einem einheitlichen Rahmen wie der Quantengravitation zu integrieren, um zentrale Herausforderungen der Physik anzugehen.
  • Experimentelle Entwicklungen: Jüngste Experimente, wie das Muon g-2 des Fermilab, zeigen Unstimmigkeiten mit dem Standardmodell auf und deuten auf mögliche neue Physik hin.
  • Neue Theorien in Sicht: Theorien wie die Stringtheorie und die Schleifenquantengravitation werden als mögliche Rahmenwerke zur Vereinigung aller grundlegenden Kräfte und Elemente des Universums erforscht.
  • Rolle der Quantenmechanik: Die Quantenmechanik bleibt ein Pfeiler in der modernen Physik und liegt den Theorien und Entdeckungen in der Teilchenphysik zugrunde.
  • Innovationen jenseits von Teilchenbeschleunigern: Fortschritte in der Quantentechnologie könnten kleinere Laborexperimente ermöglichen, um die großen Fragen der Physik zu beantworten, was zu Durchbrüchen führen könnte, ohne sich ausschließlich auf große Teilchenbeschleuniger zu verlassen.

Historische Entdeckungen und die Herausforderung der Dunklen Materie

Der erste Anstoß zur Annahme, dass das Standardmodell der Teilchenphysik möglicherweise unvollständig ist, stammt aus der Astronomie. 

Der schweizerische Astronom Fritz Zwicky untersuchte bereits in den 1930er Jahren den Coma-Galaxienhaufen, der im Sternbild „Haar der Berenike“ liegt und mehr als 300 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Er berechnete die Umlaufgeschwindigkeit der Galaxien um das Zentrum des Haufens und stellte fest, dass die Zentrifugalkräfte die Galaxien hätten ins All schleudern müssen, wenn nicht eine größere Masse als die sichtbare die Galaxien auf ihrer Bahn halten würde.

Zwicky schloss daraus, dass eine Form von unsichtbarer Materie, die er als Dunkle Materie bezeichnete, in viel größerer Dichte vorhanden sein müsse als die sichtbare Materie. Zudem argumentierte er, dass die Anzahl der Sterne im Universum zu gering sei, um die Struktur und Dichte der Milchstraße zu erklären. Galaxien hätten sich nicht bilden können, ohne die Gravitationskraft dieser geheimnisvollen Materie.

Aktuelle Untersuchungen, wie die der Universität Madrid, bestätigen Zwickys Annahmen durch Analysen der Rotationsgeschwindigkeiten entfernter Galaxien. Diese drehen sich derart schnell, dass sie ohne die Gravitationswirkung einer erheblichen Menge Dunkler Materie auseinanderfallen würden.

Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer unsichtbaren Dunklen Materie, die durch ihre gravitative Wirkung die Galaxien zusammenhält.

Dunkle Materie: Ein Unbekanntes Universum

Ohne einen beträchtlichen Anteil an Dunkler Materie, die zwar unsichtbar ist, würde unsere Milchstraße über die Zeit hinweg zerfallen – was jedoch nicht der Fall ist. 

Es muss also eine Form von Materie geben, die durch ihre Gravitationswirkung die Galaxie zusammenhält. Die Zusammensetzung dieser Dunklen Materie bleibt allerdings ein Rätsel. Bisherige Theorien, die sie beispielsweise aus erloschenen Sternen oder kalten, transparenten Gas- und Staubwolken zusammensetzen wollten, haben sich nicht bestätigt.

Astrophysiker sind sich bereits seit Langem bewusst, dass die sichtbare, „normale“ Materie – aus der Sterne, Planeten und auch wir Menschen bestehen – nur einen Bruchteil des gesamten Universums darstellt. Viel häufiger ist Dunkle Materie, deren genaue Beschaffenheit noch immer unbekannt ist und die lediglich durch ihre gravitativen Effekte nachweisbar ist.

Die Limitierungen des Standardmodells in der Teilchenphysik

Das Standardmodell der Teilchenphysik, obwohl als Quantenfeldtheorie sehr erfolgreich, weist signifikante Begrenzungen auf, wie z.B. das Unvermögen, das Hierarchieproblem zu lösen oder die drei fundamentalen Kräfte zu vereinen. In diesem Modell werden fundamentale Phänomene als Felder dargestellt, deren Interaktionen in diskreten Quanten erfolgen, die den beobachtbaren Teilchen entsprechen.

Dieses Modell integriert sowohl die Prinzipien der Quantenmechanik als auch der Quantenchromodynamik und ist konform mit der Speziellen Relativitätstheorie. Viele der Vorhersagen des Standardmodells haben experimentelle Bestätigung gefunden, einschließlich der Existenz zuvor theoretisch postulierter Elementarteilchen.

Ein herausragendes Beispiel für die Genauigkeit des Modells ist die präzise Übereinstimmung der gemessenen Teilcheneigenschaften, wie der g-Faktor des Elektrons, mit seinen Vorhersagen.

Trotz dieser Erfolge deutet die Existenz von Dunkler Materie und Dunkler Energie, die das Modell nicht erklären kann, sowie die Widersprüche zur Allgemeinen Relativitätstheorie bei hohen Energien darauf hin, dass das Standardmodell Teil einer umfassenderen Theorie sein könnte.

Darüber hinaus erfordert das Modell die Festlegung von mindestens 18 freien Parametern anhand experimenteller Daten, was seine Flexibilität unter Beweis stellt, aber auch auf seine Begrenzungen hinweist. Insbesondere die Entdeckung der Neutrinomasse, die über das Modell hinausgeht, fordert eine Erweiterung des theoretischen Rahmens.

Quantengravitation: Die Suche nach einer Vereinheitlichten Theorie

Die Vereinigung der 2 zentralen Theoriegebäuden:

  • des Standardmodells der Elementarteilchenphysik und
  • der Gravitation

In diesem Kontext streben viele Forschungsinitiativen danach, das bestehende Standardmodell zu erweitern oder durch neue theoretische Rahmen zu ersetzen:

  • Ein prominenter Forschungszweig zielt auf die Entwicklung einer Großen vereinheitlichten Theorie (GUT), die alle drei Grundkräfte des Standardmodells zusammenführt. Diese Theorien berücksichtigen oft die Supersymmetrie, welche eine Symmetrierelation zwischen den Bosonen und Fermionen vorschlägt. Laut diesen Theorien hat jedes Standardmodell-Teilchen ein Supersymmetrie-Partner mit unterschiedlichem Spin, doch ein experimenteller Nachweis dieser Teilchen steht noch aus.
  • Ein weiterer innovativer Ansatz betrifft spezielle Quantengravitationstheorien. Hierzu zählen die Stringtheorien, die neben den GUT-Modellen auch Ansätze für eine einheitliche Beschreibung der Gravitationskraft bieten, und die Schleifenquantengravitation, die eine nicht-stringtheoretische Herangehensweise an die Quantisierung der Raumzeit darstellt.

Die Stringtheorie als dominierende Kandidatin für eine alle Naturkräfte vereinheitlichende Theorie

Die Stringtheorie gilt derzeit als dominierende Kandidatin für eine alle Naturkräfte vereinheitlichende Theorie. Bei ihr werden alle Elementarteilchen durch eindimensionale Strings repräsentiert.

Es handelt sich um eine Sammlung eng verwandter hypothetischer physikalischer Modelle, die anstelle der Beschreibung von Elementarteilchen in den gewohnten Modellen der Quantenfeldtheorie als punktförmige Teilchen in der Raum-Zeit (räumliche Dimension Null) sog. Strings (englisch für Fäden oder Saiten) als fundamentale Objekte mit eindimensionaler räumlicher Ausdehnung verwenden oder auch höherdimensionale Objekte in Erweiterungen der Stringtheorie.

Nach aktuellem Wissensstand erfordert diese Theorie ein Universum mit 10, 11 oder 26 Dimensionen. Zudem besteht noch Unsicherheit darüber, wie diese Theorie das etablierte Standardmodell der Elementarteilchen widerspiegelt oder ergänzt.

Die Theorie der Schleifenquantengravitation

Die Schleifenquantengravitation (SQG) ist ein prominenter Ansatz zur Integration der Quantenphysik mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Dieser Ansatz reformuliert die allgemeine Relativitätstheorie als Eichtheorie und wendet eine angepasste Quantisierungsvorschrift an. In der Schleifenquantengravitation sind sowohl Raum als auch Zeit gequantelt, wodurch der Raum als ein dynamisches, quantenmechanisches Spin-Netzwerk dargestellt wird, das visuell durch Diagramme aus Linien und Knoten erfasst werden kann.

Eine wesentliche Folge dieser Theorie ist die Quantisierung von Raum und Zeit auf der Skala der Planck-Länge (ungefähr 10−35 Meter) und der Planck-Zeit (ungefähr 10−43 Sekunden). Auf diesen extrem kleinen Skalen wird angenommen, dass sämtliche physikalische Phänomene, inklusive Gravitation und Geometrie, quantisiert statt kontinuierlich sind.

Es bleibt jedoch bis heute (2020) offen, ob diese Theorie intern konsistent ist und ob sie in ihren klassischen Grenzen die bekannten Ergebnisse der allgemeinen Relativitätstheorie zuverlässig reproduzieren kann.

Die Rolle der Quantenmechanik

Die Quantenmechanik ist eine grundlegende physikalische Theorie, die die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Materie auf atomarer und subatomarer Ebene beschreibt

Im Gegensatz zu den klassischen physikalischen Theorien ermöglicht sie die genaue Berechnung und Vorhersage von Materieeigenschaften auf dieser winzigen Skala.

Als eine der Grundpfeiler der modernen Physik dient die Quantenmechanik als Grundlage für das Verständnis und die Beschreibung verschiedener Phänomene in der Atomphysik, Festkörperphysik sowie Kern- und Elementarteilchenphysik. Zudem findet sie Anwendung in verwandten Disziplinen wie der Quantenchemie und trägt wesentlich zum Fortschritt dieser Wissenschaften bei.

Aber selbst der Durchschnitts-Hardcore-Physiker hat nur eine vage Vorstellung davon, was diese eigentlich sind. Vieles kann freilich in populärwissenschaftlichen, oft von Nobelpreisträgern geschriebenen Büchern, mit großem Gewinn gelesen werden, z.B. auch in den Büchern von Steven Weinberg, Murray Gell-Mann oder Harald Lesch.

Aktuelle Entwicklungen in der Teilchenphysik

Das Standardmodell der Teilchenphysik steht zunehmend in der Kritik. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass einige der Prognosen dieses etablierten Theorierahmens möglicherweise fehlerhaft sind, was auf die Existenz physikalischer Phänomene hinweist, die über das Standardmodell hinausgehen.

Das Rätsel der Leptonen-Symmetrie

Die Symmetrie zwischen Elektronen, Myonen und Tau-Leptonen, die alle zur Familie der Leptonen gehören, wird zunehmend hinterfragt.

Laut Theorie sollten diese Teilchen ähnliche Verhaltensweisen aufweisen, da sie die gleiche elektrische Ladung tragen und sich hauptsächlich durch ihre Masse unterscheiden.

Diese angenommene Symmetrie, die Physiker oft betonen, scheint jedoch nicht so stabil zu sein wie erwartet. Dies wirft Fragen auf bezüglich der Stichhaltigkeit der Theorien, die das Verhalten von Kräften und Teilchen im Universum erklären sollen.

Das Muon g-2 Experiment am Fermilab

Am 25.02.2021 wurde ein am Forschungslabor „Fermilab“ durchgeführtes Teilchenphysikexperiment namens „Muon g-2“ publiziert. Eine Nachricht von Wissenschaftlern des Fermilab sorgte für Aufsehen.

Die magnetischen Eigenschaften des Myons, das etwa 200-mal schwerer ist als das Elektron und damit dessen massereicherer Cousin, stimmen nicht mit den Vorhersagen des Standardmodells überein. 

Diese Diskrepanz könnte tiefgreifende Auswirkungen auf das Standardmodell der Teilchenphysik haben, welches als grundlegendes Regelwerk für die Beschreibung aller bekannten Teilchen dient.

Sollten diese Beobachtungen durch zusätzliche Experimente bestätigt werden, könnte dies bedeuten, dass das Standardmodell möglicherweise überarbeitet oder erweitert werden muss, um diese Anomalien zu erklären. Dies würde einen signifikanten Bruch in der Theorie darstellen, der die gesamte Struktur der Teilchenphysik beeinflussen könnte.

In einem jüngsten Experiment wurde das Elementarteilchen „Myon“ genauer untersucht, wobei eine geringfügige, aber bedeutende Abweichung von den bisherigen theoretischen Vorhersagen festgestellt wurde. Diese Abweichung könnte darauf hindeuten, dass das Standardmodell der Teilchenphysik, welches die Grundlage der modernen Physik darstellt, einer Überarbeitung bedarf.

Dies gilt als eine der bedeutendsten Entwicklungen in der Teilchenphysik seit der Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012 am CERN, das als letztes fehlendes Puzzlestück des Standardmodells galt. Seit dieser Entdeckung hat es keine vergleichbaren Durchbrüche gegeben, die das Verständnis von Phänomenen wie Dunkler Materie und Dunkler Energie erweitern oder Albert Einsteins Ziel einer vereinheitlichten Theorie aller fundamentalen Kräfte näherkommen.

Copyright: Infografik WELT.de

Fermilab: Ein führendes Forschungszentrum

Das Fermi National Accelerator Laboratory oder kurz Fermilab ist ein Forschungszentrum für Teilchenphysik, das vom US-amerikanischen Department of Energy betrieben wird. Es liegt etwa 50 Kilometer westlich von Chicago in Illinois, auf dem Gebiet der Gemeinde Batavia, und beherbergt das „Tevatron“, das am 30.11.2009 vom „Large Hadron Collider“ als energiereichster Teilchenbeschleuniger der Welt abgelöst wurde.

Das „Fermilab“ beschäftigt derzeit rund 2.200 Mitarbeiter und ist das führende Forschungsinstitut für Proton-Antiproton-Kollisionen mit den zwei Detektoren CDF und D0-Experiment. Am „Fermilab“ wurden das Bottom-Quark (1977), das Top-Quark (1995) und das Tau-Neutrino (2000) entdeckt.

Luftbild des Fermilab – Das gleichförmige Magnetfeld im Ring
Quelle: Wikipedia
Copyright: picture alliance / dpa
Quelle: Wikipedia

Die Bedeutung des Landé-Faktors

Das Ziel des Experiments war die präzise Messung des sogenannten Landé-Faktors (g-Faktor) des Myons. Dieser Faktor gibt das Verhältnis der magnetischen Momentstärke eines quantenmechanischen Teilchens zu dem, was klassisch erwartet wird, an.

Myonen tragen die gleiche Ladung wie ein Elektron, haben aber 207 Mal mehr Masse. Entdeckt wurden Myonen 1937 als Bestandteil der kosmischen Strahlung.

Damit ist indes nicht gemeint, dass sie selber aus den Tiefen des Alls zu uns kommen, sondern die nachgewiesenen Myonen wurden erst in der Erdatmosphäre kreiert – bei der Kollision von Teilchen der kosmischen Strahlung mit Molekülen der Luft. Myonen entstehen als alltäglicher Bestandteil der kosmischen Strahlung immer dann, wenn andere Teilchen kollidieren.

Wenn Wissenschaftler Myonen erforschen wollen, müssen diese in Teilchenbeschleunigern erzeugt werden. Auch dort entstehen Myonen bei der Kollision anderer Teilchen. Und dann haben die Forscher einige Hundert Nanosekunden Zeit, um mit den vorübergehend in die Welt geholten Teilchen Experimente durchführen zu können.

Myonen sind sehr flüchtige Teilchen. Anders als ihre viel leichteren Cousins, die Elektronen, zerfallen sie jedoch schon nach etwas mehr als 2 Millionstel Sekunden in andere Partikel.

Das magnetische Moment und seine Abweichungen

Der Magnetsinn von Elektronen, Myonen und anderen geladenen Teilchen kann durch Gleichungen berechnet werden, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Diese Berechnungen führen zum sogenannten „g-Faktor“, der theoretisch den Wert 2 annimmt. Tatsächlich weicht jedoch das gemessene magnetische Moment dieser Teilchen leicht von diesem idealen Wert ab; beim Elektron beispielsweise liegt der Wert bei 2,00116, wie Untersuchungen bereits in den 1940er Jahren offenlegten.

Die Abweichungen von diesem theoretischen Wert 2 haben seitdem das Interesse der Wissenschaft geweckt. Eine Generation von Theoretikern suchte nach einer Erklärung; unter ihnen war auch Richard Feynman (*11.05.1918; †15.02.1988 in Los Angeles), ein US-amerikanischer Physiker und Nobelpreisträger des Jahres 1965, der als einer der großen Physiker des 20. Jh.s gilt und der wesentliche Beiträge zum Verständnis der Quantenfeldtheorien geliefert hat.

Das Studium der Myonen erfordert komplexe experimentelle Aufbauten in Teilchenbeschleunigern, wo sie erzeugt, in Vakuumröhren gefangen und innerhalb weniger Nanosekunden untersucht werden müssen. Diese Experimente waren besonders im 20. Jahrhundert aufwendig und schienen zunächst nur geringen praktischen Nutzen zu haben, da sie vorrangig zur Bestimmung von Naturkonstanten dienten.

In den vergangenen 50 Jahren haben diverse Experimente kontinuierlich dazu beigetragen, die Obergrenzen für die Verzweigungsverhältnisse bestimmter Zerfälle präziser zu bestimmen.

Die Bedeutung der Myonen für die Physik

Myonen sind aufgrund ihrer punktförmigen Natur, ähnlich wie andere Leptonen, ideale Kandidaten für hochpräzise Untersuchungen fundamentaler physikalischer Kräfte. Innerhalb der Quantenelektrodynamik lassen sich ihre Eigenschaften mit hoher Genauigkeit berechnen.

Obwohl der Einfluss nicht-elektromagnetischer Kräfte auf Myonen relativ gering ist, können diese dennoch durch virtuelle Teilchen, die das Myon umgeben, nachgewiesen werden. Dies führt zu messbaren Abweichungen in den magnetischen Eigenschaften des Myons, die für die Forschung von Bedeutung sind.

Das bemerkenswerte an Myonen ist, dass sie ähnlich wie Elektronen elektrisch geladen sind und kontinuierlich um ihre eigene Achse rotieren, was Physiker als Spin bezeichnen. Diese Rotation verleiht den Myonen magnetische Eigenschaften, ähnlich denen kleiner Stabmagneten. Infolgedessen reagieren sie empfindlich auf die Magnetfelder, denen sie in einem Speicherring ausgesetzt sind.

Myonen, die in der kosmischen Strahlung mit Energien von mehreren GeV vorkommen, besitzen aufgrund ihrer hohen kinetischen Energie die Fähigkeit, mehrere Kilometer dicke Gesteinsschichten zu durchdringen, bevor sie deutlich unter die Lichtgeschwindigkeit abgebremst werden und zerfallen. 

Diese Eigenschaft macht sie ideal für die Myonen-Tomografie, bei der man größere Strukturen durchleuchtet.

Für die Tomografie werden Myonen aus der kosmischen Strahlung genutzt, wobei ihre Streustrahlung gemessen und tomographisch analysiert wird. Ein bekanntes Beispiel dieser Anwendung ist die Untersuchung der Chephren-Pyramide durch Luis Walter Alvarez in den 1960er Jahren.

Weitere bedeutende Anwendungen umfassen die Untersuchung des Vulkans Iō-dake (japanisch 硫黄岳) auf der japanischen Insel Iojima (Kikai-Caldera, Ōsumi-Inseln) im Jahr 2009, die wichtige Einblicke in die Dichteverteilung des Vulkans lieferte. Zudem ermöglichte die Myonentomografie im Jahr 2017 die Entdeckung eines mindestens 30 Meter langen Hohlraums in der Cheops-Pyramide oberhalb der Großen Galerie, was ein bedeutender archäologischer Fund war.

Die Suche nach neuer Physik

Die Präzisionsmessung einer weltweiten Kollaboration am Brookhaven National Laboratory deutete 2001 erstmals darauf hin, dass die magnetischen Eigenschaften des Myons nicht mit den theoretischen Voraussagen des sog. Standardmodells übereinstimmen. Doch die Aussagekraft dieser einen Messung reichte noch nicht, um eine Abweichung von der Theorie mit Sicherheit zu verkünden.

Seit dem Abschluss der Experimente in Brookhaven strebten US-Physiker danach, diese Versuche im Fermilab erneut durchzuführen. Aus ökonomischen Erwägungen verwendete man den supraleitenden Speicherring von der Ostküste wieder, rüstete ihn jedoch mit moderner Messelektronik aus. Ursprünglich wurde überlegt, das 14 Meter große Gerät per Helikopter nach Chicago zu transportieren, was jedoch aufgrund von Versicherungsproblemen nicht realisiert wurde.

Stattdessen entschied man sich 2013 für den Transport auf dem Seeweg, um Florida herum und den Mississippi hinauf. Die Experimente starteten dort im Jahr 2018. Die Ergebnisse zeigten eine leichte, aber bemerkenswerte Abweichung: Der Magnetsinn von Myonen war geringfügig stärker als von den Gesetzen der Teilchenphysik vorhergesagt. Diese geringe Abweichung ließ zwar Raum für die Möglichkeit statistischer Schwankungen, weckte jedoch das Interesse der Forschenden: Falls es bisher unbekannte Teilchen in der Teilchenphysik gibt, die zudem relativ geringe Massen aufweisen, sollten diese in der magnetischen Anomalie des Myons erkennbare Effekte zeigen.

Das Experiment konnte zunächst keine signifikante Abweichung des Landé-Faktors nachweisen, der für Myonen etwas größer als 2 ist und das Verhältnis der Stärke des quantenmechanischen Magnetfelds zur Erwartung aus der klassischen Physik beschreibt. Die Abweichung von 2 sollte dann mit einer Präzision von 0.14 ppm gemessen werden.

Frühere Experimente haben geringfügige Abweichungen festgestellt, jedoch reichte ihre Empfindlichkeit nicht aus, um definitiv zu klären, ob diese Abweichungen auf zufällige Schwankungen der Messwerte zurückzuführen sind.

Seit 2018 erreichen Myonen im Teilchenbeschleuniger des Fermilab beinahe Lichtgeschwindigkeit, und Wissenschaftler spekulieren darüber, ob das magnetische Moment dieser Teilchen neue physikalische Gesetzmäßigkeiten offenbaren könnte.

Im Beschleuniger halten supraleitende Magnete die Myonen auf ihren festgelegten Bahnen, bis sie schließlich in Positronen zerfallen – die Antimaterie-Pendants zu Elektronen – welche dann von am Ring positionierten Detektoren erfasst werden.

Durch Analyse der Positronenenergie kann die Spinorientierung der Myonen rekonstruiert werden, was Rückschlüsse auf die Stärke ihres magnetischen Moments ermöglicht. Dabei haben die Messergebnisse gezeigt, dass das magnetische Moment des Myons erneut von den Prognosen des Standardmodells abweicht. Dieser unerwartete Befund stellt eine Herausforderung für das etablierte Standardmodell dar und könnte Hinweise auf bisher unbekannte physikalische Prinzipien liefern.

Das Kernziel des Experiments ist es, verborgene Aspekte der Natur zu enthüllen: Myonen, die massereicheren Verwandten der Elektronen, reagieren auf Magnetfelder leicht anders als vom Standardmodell vorausgesagt.

Mit supraleitenden Magneten werden im Speicherring des „Fermilab“ Myonen auf einer Kreisbahn gehalten, bevor sie zerfallen. Die dabei entstehenden Positronen, die Antiteilchen des Elektrons, werden von Detektoren registriert und ihre Energie vermessen.

Die Energie der Positronen ermöglicht durch eine Serie anspruchsvoller Berechnungen die Bestimmung des magnetischen Moments der Myonen. Obwohl die festgestellte Abweichung gering erscheint, könnten die daraus resultierenden Implikationen für die Physik beträchtlich sein.

Die erwartete Abweichung lässt sich mit hoher Genauigkeit prognostizieren und dient daher als präziser Test für das Standardmodell. Sollte es eine Diskrepanz zwischen der theoretischen Vorhersage und dem gemessenen Wert geben, könnte dies auf neue physikalische Phänomene hinweisen, wie etwa die Existenz bisher unentdeckter Teilchen.

Die Wissenschaftler identifizierten letztlich das Vakuum als Ursache für die unerwartet hohe Größe des Magnetsinns von Myonen. In diesem scheinbar leeren Raum entstehen ständig Teilchen-Antiteilchen-Paare, wie es die Quantenphysik vorhersagt, die nach kurzer Zeit wieder verschwinden.

Während ihrer flüchtigen Existenz beeinflussen diese virtuellen Partikel die Eigenschaften von Standard-Elementarteilchen, einschließlich der Myonen, was zu einem anomal hohen magnetischen Moment führt, das etwa bei 0,00116591810 liegt, entsprechend den quantenphysikalischen Berechnungen.

Die Ergebnisse des „Muon g-2“ Experiments am Fermilab, veröffentlicht am 25. Februar 2021, haben weltweit für Aufsehen gesorgt. 

Der Speicherring des Fermilabs
Copyright: Cindy Arnold/Fermilab

Graziano Venanzoni, der Sprecher der 200 Mitglieder starken „Muon-g-2-Gruppe“, beschrieb diesen Tag in einer Pressemitteilung als „außergewöhnlich“, ein Moment, den nicht nur das Team, sondern auch Physiker weltweit erwartet hatten. Diese Aussage mag übertrieben wirken, doch gab es in der jüngeren Vergangenheit selten so positive Nachrichten aus der Teilchenphysik.

Die Erkenntnis, dass das Vakuum alle möglichen Partikel hervorbringen kann, die im Naturgesetz vorgesehen sind, darunter virtuelle Elektron-Positron-Paare sowie Quarks und Antiquarks, öffnet die Tür zu weiteren Entdeckungen. 

Möglicherweise gibt es im Vakuum noch unbekannte Teilchen, die das magnetische Moment der Myonen beeinflussen könnten, was zu signifikanten Durchbrüchen in der Physik führen würde. 

Bei diesem Experiment kam es auf höchste Präzision an, weshalb die Forscher umsichtig mit den Daten umgingen, um jede Verzerrung zu vermeiden.

Zukunftsaussichten und laufende Forschung

Bislang haben die Forschenden nur 6 % der Daten analysiert, die während der Laufzeit des Experiments im Fermilab gesammelt werden sollen. Doch schon die ersten Ergebnisse bestätigen die Hoffnungen vieler Beteiligter: Das magnetische Moment des Myons weicht wiederum von den Prognosen des Standardmodells ab, ähnlich den früheren Beobachtungen in Brookhaven.

Interessanterweise hat sich die früher festgestellte Diskrepanz bestätigt, obwohl sie mit einer Signifikanz von 3,3 „Sigma“ noch nicht endgültig als statistisch signifikant gilt. 

Das im Fermilab gemessene magnetische Moment des Myons ist leicht höher als vom Standardmodell vorhergesagt, was auf potenziell neue physikalische Phänomene hindeutet. Diese Abweichung ist bemerkenswert, erreicht jedoch noch nicht die 5 Sigma, die in der Teilchenphysik als Beweis für ein Phänomen gelten.

Werden die aktuellen Ergebnisse mit den 20 Jahre alten Daten aus Brookhaven kombiniert, ergibt sich eine Signifikanz von 4,2 Sigma. Eine endgültige Bestätigung könnte jedoch erst durch zukünftige Daten erfolgen. Der Speicherring am Fermilab wird weiterhin Myonen analysieren, und ähnliche Experimente sind in Japan und der Schweiz geplant.

Theoretiker diskutieren derweil, ob die vorherrschenden Standardmodell-Prognosen korrekt sind. Eine Forschungsgruppe aus Deutschland, Frankreich und Ungarn hat kürzlich mit einer neuen Methode einen Wert für das magnetische Moment berechnet, der mit den Fermilab-Daten übereinstimmt.

Modelle, die potenzielle neue Teilchen vorschlagen, die das magnetische Moment der Myonen beeinflussen könnten, werden ebenfalls erforscht. Hier sind neben neuen Higgs-Teilchenvarianten auch unbestätigte Supersymmetrie-Versionen und sogenannte Leptoquarks im Gespräch, die möglicherweise auch andere beobachtete Anomalien erklären könnten. Diese Teilchen würden jedoch unterschiedliche Eigenschaften in den verschiedenen experimentellen Kontexten aufweisen müssen.

Die Herausforderung bleibt, neue Teilchen zu identifizieren und zu charakterisieren, da das anomale magnetische Moment allein wenig über die Massen der potenziellen neuen Teilchen verrät. Diese Information ist jedoch entscheidend, um in Teilchenbeschleunigern gezielt nach ihnen zu suchen.

Das am „Fermilab“ ermittelte Ergebnis macht klar, dass es im physikalischen Verständnis des Universums und der Teilchen ein großes Loch geben muss.

Was genau nun daraus folgt, ist noch nicht klar. Möglicherweise müssen neue Teilchen oder Kräfte in das Theoriegebäude der Physik eingebaut werden. Die Suche nach jetzt zu postulierenden neuen Teilchen würde den Wissenschaftlern an den großen Beschleunigerlabors neue Perspektiven eröffnen.

Seit der Entdeckung des Higgs-Bosons hat es keine wirklichen Durchbrüche in der experimentellen Teilchenphysik mehr gegeben.

Für die Forschenden im Bereich der Myonenphysik ist das ultimative Ziel zunächst, die Anomalie zweifelsfrei zu bestätigen. Um dies zu erreichen, arbeiten sie kontinuierlich an Verbesserungen des Experiments. Kürzlich haben sie den Speicherring mit einer thermischen Isolierung versehen, um Umwelteinflüsse zu minimieren.

Frühere Messungen zeigten deutliche Schwankungen in den Daten, abhängig von Tages- oder Nachtzeit. Dies lag daran, dass die Funktion der supraleitenden Magnete von der Umgebungstemperatur beeinflusst wird. Solche Temperaturschwankungen wirken sich direkt auf die Empfindlichkeit der Myonen gegenüber Magnetfeldern aus, was die Forschenden nun durch technische Anpassungen auszugleichen versuchen.

Auf einer virtuellen Pressekonferenz zeigte Chris Polly vom Fermi-Team in einem Diagramm auf den weißen Raum zwischen dem theoretischen und dem gemessenen Wert des Myon-Magnetmoments: „Wir können ziemlich sicher sagen, dass sich dahinter etwas verbergen muss. Welche Monster mögen da wohl auf uns lauern?“

Die Fermi-Forscher haben bislang erst sechs Prozent der in den vergangenen drei Jahren gewonnenen Daten ausgewertet.

Daran waren auch Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich beteiligt. Auf den Superrechnern dieses Instituts wurde ein Teil der Analysen durchgeführt. Die jetzt in „Nature“ publizierten Daten basieren auf der Auswertung von 8 Mrd. Milliarden Myonen aus dem ersten Messlauf, der noch 2018 abgeschlossen wurde.

Die Analyse der zweiten und dritten Messkampagne ist in Arbeit, eine vierte Messung läuft gerade, und eine fünfte soll im Herbst 2021 gestartet werden. Es wird also noch mehrere Jahre dauern, bis alle Resultate in das Endergebnis eingeflossen sind. Dessen statistische Genauigkeit wird dabei zwangsläufig immer besser werden.

Schon jetzt sprechen die Forscher aber von einer „starken Evidenz“, dass die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis echt ist und das Myon irgendetwas „spüren“ muss, das bislang noch nicht in der Standardtheorie enthalten ist.

Die Spekulationen über neue, noch nicht bekannte Teilchen und Kräfte, über eine „neue Physik“ wird jetzt beginnen. Was die Forscher so sicher macht, dass sie keinem Hirngespinst nachjagen, ist insbesondere die gute Übereinstimmung mit jenen Ergebnissen, die 2001 von den Forschern des Brookhaven National Laboratory publiziert worden sind.

Damals wurde ein noch größerer Wert als jetzt beim „Fermilab“ gemessen. Innerhalb der Toleranzintervalle stimmen beide Messwerte aber überein – und lassen sich beide nicht mit der Vorhersage des Standardmodells erklären.

Gleichwohl gelten nach den strengen Standards der Physik die Resultate der beiden Labs zum Magnetmoment des Myons bislang noch nicht als „offizielle Entdeckung“ in dem Sinne, dass sie tatsächlich der Theorie widersprechen.

Die Chance, dass das Messergebnis ein statistischer Ausrutscher ist, liegt derzeit noch bei 1 zu 40.000, was einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,0025 Prozent entspricht. Erst wenn dieser Wert kleiner als 0,00005 Prozent ist, sprechen Physiker von einer gesicherten Entdeckung.

Die Prüfung der Leptonen-Universalität im LHCb-Experiment des Genfer Forschungszentrums CERN und die Anzeichen möglicher weiterer Risse im Standardmodell

Die Physiker sprechen von Leptonen-Universalität, wenn sie das identische Verhalten von Elektronen, Myonen und Tauteilchen beschreiben. 

Kürzlich hat ein internationales Forscherteam der LHCb-Kollaboration am CERN, zu dem auch Wissenschaftler aus der RWTH Aachen, der Technischen Universität Dortmund, der Universität Heidelberg und der Universität Zürich gehören, potenzielle Abweichungen von dieser Universalität festgestellt.

Das LHCb-Experiment des Genfer Forschungszentrums CERN
Copyright: CERN

Im Rahmen ihrer Forschung am LHCb-Detektor, einer der vier großen Forschungsanlagen am Large Hadron Collider (LHC) in Genf, untersuchten die Forscher sehr seltene Zerfallsprozesse von B+-Mesonen. Theoretisch sollte aus diesen Zerfällen gleich oft jeweils ein Paar Elektronen oder Myonen resultieren. Die Daten zeigen jedoch eine leicht erhöhte Häufigkeit von Elektronenpaaren, was auf eine mögliche Verletzung der Leptonen-Universalität hindeuten könnte.

Obwohl die aktuellen Ergebnisse eine statistische Signifikanz von 3,1 Sigma erreichen, sind weitere Messungen erforderlich, um die Beobachtungen zu bestätigen und möglicherweise die Signifikanz auf 5,0 Sigma zu erhöhen – den Wert, ab dem Physiker von einer wissenschaftlichen Entdeckung sprechen.

Die beobachteten Abweichungen könnten durch die Existenz von Lepto-Quarks erklärt werden, ähnlich wie bereits von Forschern am Fermilab diskutiert wurde. Dies würde auch die Möglichkeit einer neuen fundamentalen Wechselwirkung, einer sogenannten „fünften Kraft” zwischen Leptonen und Lepto-Quarks, implizieren.
Es ist noch zu früh für endgültige Schlussfolgerungen, doch die Hinweise auf eine „neue Physik” jenseits des aktuellen Standardmodells verdichten sich.

Das „Mu3e-Experiment“ am schweizerischen Paul-Scherrer-Institut zur Prüfung des Standardmodells

Ein weiteres internationales Team plant am Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz, das Standardmodell durch das „Mu3e-Experiment“ herauszufordern, an dem auch Wissenschaftler der Universität Mainz beteiligt sind. Ziel ist es, den Zerfall von Myonen (Mu) in drei Elektronen (3e) zu untersuchen, ein Vorgang, den das Standardmodell als äußerst selten einstuft.

Falls dieser Zerfall im Rahmen des Experiments unerwartet oft auftritt, könnte dies darauf hindeuten, dass es über das bekannte Standardmodell hinausgehende physikalische Phänomene gibt. Die Durchführung dieser Experimente ist für die kommenden drei Jahre angesetzt.

Die „Suche nach neuer Physik“ mit Hilfe modernste Quantentechnologie: Die Abkehr vom Teilchenbeschleuniger?

Teilchenbeschleuniger haben in der Vergangenheit große wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglicht, doch sind sie mit hohen Kosten und Unsicherheiten beim Bau verbunden. Wissenschaftler erforschen nun, ob die offenen Fragen der Physik ebenso effektiv in kleineren Laboren beantwortet werden können.

Die Illustration zeigt den Zerfall eines fiktiven Higgs Boson
Copyright: picture alliance / dpa

Physiker streben ständig nach neuen Erkenntnissen und entwickeln Modelle, die möglichst alle beobachtbaren Phänomene abdecken. Durch gezielte Experimente, die Fragen an die Natur stellen, überprüfen sie die Validität ihrer Theorien und Modelle. Ein historisches Beispiel ist die Vorhersage des Higgs-Teilchens durch den britischen Physiker Peter Higgs im Jahr 1964, dessen Entdeckung 2012 das Standardmodell der Teilchenphysik bestätigte.

In jüngerer Zeit wird zunehmend von der Suche nach neuer Physik gesprochen, die Erklärungen für Phänomene bieten soll, bei denen das Standardmodell an seine Grenzen stößt. Dazu zählt die Integration der Gravitationskraft in das Modell und das Rätsel der Dunklen Materie, die im Universum quantitativ überwiegt, aber noch nicht wissenschaftlich erklärt ist.

Mit „neuer Physik meinen Wissenschaftler Antworten auf diese fundamentalen Fragen. Traditionell wurde angenommen, dass durch den Einsatz größerer Teilchenbeschleuniger und Experimente mit höheren Energien entscheidende Durchbrüche erzielt werden könnten. Doch es stellt sich die Frage, ob diese großen Fragen auch in kleineren Laboren mit fortschrittlicher Quantentechnologie gelöst werden können.

Technologien, wie hochpräzise Atomuhren, könnten beispielsweise genutzt werden, um die Einflüsse der Dunklen Materie zu detektieren. Solche Uhren sind so genau, dass sie seit dem Urknall lediglich um eine Sekunde abweichen würden. Diese Genauigkeit könnte niedrigenergetische Experimente in kleinen Laboren ermöglichen, die neue physikalische Phänomene aufdecken.

Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen weltweit ist es zudem fraglich, ob der Bau weiterer großer Teilchenbeschleuniger finanziell tragbar bleibt. Die Forschung könnte daher in Zukunft vermehrt auf kosteneffizientere Methoden angewiesen sein, um grundlegende Fragen der Physik zu klären.

Zusammenfassung

Das Standardmodell der Teilchenphysik, eine der wichtigsten Errungenschaften in der Physik des 20. Jahrhunderts, steht angesichts neuer Erkenntnisse und ungelöster Rätsel vor großen Herausforderungen.

Die Zukunft der Teilchenphysik könnte in der Entwicklung einer neuen, umfassenderen Theorie liegen, die sowohl die bekannten als auch die mysteriösen Aspekte des Universums erklären kann.

Ähnliche Beiträge